Siegrets Nibelungenlied
Inspiriert von der Nibelungensage, erzähle ich euch hier etwas über Siegret. Eine mythische Figur die Gegner besiegen muss, um ihr Ziel zu erreichen. Nicht als Reim geschrieben. Viel Spaß beim Lesen.
Einst, in der alten Stadt der Weißen Rose, lebte eine furchterregende Kriegerin namens Siegret. Mit ihrer Haut so weiß wie Keramik, einer grauen Brustrüstung hart wie Stahl, die ihre drahtigen Muskeln umschloss und ihrem kurzen, aschblonden Haar, das in der Sonne glänzte, war sie weit und breit für ihre unvergleichlichen Kampffähigkeiten bekannt. Viele hinterfragten Siegrets Motive, sich zu kleiden und zu kämpfen, wie ein Mann. Wie ein Mann fragten sie sich und grummelten.
Wenn sie Siegrets Ausdruck auf sich spürten - gerissen, eindringend und nachdrücklich, mit den Augen eines Reptils das zuschnapt - da drehten sie sich um oder verzogen ihr Gesicht zu einer wütenden Grimasse.
Sie mutmaßten und grummelten. Anlegen wollten sich nur wenige mit ihr. Nur in Gruppen trauten sich die Söhne der Stadt ihr Territorium zu verteidigen - oder das was sie glaubten als Eigentum zu besitzen. Diese Spektakel liefen wie Gladiatorenkämpfe ab, bei denen sich Siegret Verletzungen zuzog und die Bestätigung, eine mächtige Kriegerin zu sein. Immer wieder siegte sie und die Meute buhte sie dafür aus, denn sie war kein Mann und vielleicht wusste die Meute, dass das Funkeln in Siegrets Augen, ihrer Vernichtung galt.
Ja, in Siegrets Brust verbarg sich ein dunkles Beben und ein wuchtiger Funke, der ihr Dasein bewegte: die Vernichtung der Söhne in der Stadt der Weißen Rose.
Warum diese Kriegerin es auf die unschuldig geglaubten Söhne der Stadt abgesehen hatte, war kein so großes Rätsel, wie ihr Erscheinungsbild, das ihre erbittertsten Gegner verwirrte.
Eines Tages stellte eine Hofdame namens Lybra, die schon immer mit Siegret verfeindet war, sie zur Rede und verlangte eine Erklärung, über die stinkenden Leichen, die sich in den Straßen häuften. Lybra war mit glatten schwarzen Haaren gesegnet. Anders als Siegret, trug sie stolz die einsperrenden Uniformen, wie sie nur Frauen zu tragen hatten.
Lybras Benehmen war das einer Hofdame, nett, aber nur zu denen die nicht Siegret waren. Ihre Augen voller Abscheu, bissen sich an der mit Blutspritzern gesprenkelten Siegret auf dem Pferd fest. "Sag mir was das soll! Dieser Gestank ist unerträglich!" schnaupte sie.
Siegret sah zu ihr herab, um ihr verärgert und herablassend wie immer zu predigen, dass die Söhne der Stadt von einem bösen Zauberer verflucht worden waren und dazu bestimmt waren, Verderben und Zerstörung über das Land und die Frauen zu bringen. Sie glaubte, durch die Vernichtung der Söhne unzählige Leben retten und unsägliches Leid verhindern zu können.
"Gehe deiner Wege Hofdame. Du wirst enden wie sie, wenn du dich nicht traust!"
Mit diesen Worten schritt Siegret auf ihrer schwarzen Stute davon. Der goldene Sattel glänzte wie ihr kurzes Haar und die Blutspritzer in der untergehenden Sonne. Lybras Gesicht hüllte sich in Schatten, es wurde Finster um ihre zarte Gestalt. Mit all ihrem Ekel hörte Lybra Siegrets Worte in ihren Gedanken auf und ab. Gott, diese Frau war krank - sie war krank, weil sie wie ein Mann gekleidet, durch die Stadt streift und Männer umbringt, dachte sich Lybra.
Doch dann hoben sich Lybras Lippen und sie lachte laut auf, immer lauter. Schallendes Gelächter wollte die Stadt ertränken, während es die Kirchenglocken die anfingen routiniert zu läuten, erstickte.
Diese zwei Seelen waren so verschieden, dennoch verband sie beide ein gemeinsames Pflichtgefühl und der feste Wille, sich selbst und ein zukünftiges Volk um jeden Preis zu beschützen. Siegrets Stärke schwand, umso älter sie wurde, also begab sie sich auf die gefährliche Suche nach einer legendären Pille, die demjenigen, der sie einnimmt, unermessliche Macht verleihen sollte.
Ihr setzten sich zahllose und furchterregende Feinde in den Weg. Da war zum Beispiel der Wicht Schindel, der einen Hals hatte so dick wie der Bauch eines ausgewachsenen Elefanten.
Der Torso und Unterleib seines Körpers erinnerte an einen Aal. Arme hatte er drei, oder waren es schon seine Beine? Er hatte Glieder wie ein Oktopus, seine Hände hatten die Strukturen eines Haikiefers. Beim schlängeln verlor er Schuppen und Schleim, auf dessen Gemisch mutige Krieger kleben blieben, wenn sie darauf traten oder darauf fielen. Ja er war ein scheußliches Mistding, aber kein Gegner für Siegret.
Sie fand heraus, dass seine Schwäche Brennnesselwasser war. Als sie die riesigen antiken Krüge damit füllte und ihn damit übergoss, fing er an zu schreien und schrumpfte zu einem Mattwurm zusammen, den Siegret mit ihren Sandalen zermatschte.
Auf ihrer weiteren Reise, ging sie den Hinweisen nach und besiegte den Oktopusgiganten Metbrau mit Pfifferlingssekret, der sie zum Ahndengeier Apollonike führte, den sie mit Birkenharz lähmte. Von diesem aus, verschlug es sie in eine Grotte. Dort sollte der Vampir Father nisten, mit der legendären Pille im Gedärm, die einst als Diamant an der Halskette einer Adligen hing. Mit den alten Tönen einer Nyckelharpa, beschwor Siegret tausende Geisternonnen, die den Vampir bissen.
Die Zähne der Nonnengeister drangen immer tiefer in den Vampir. Er zerplatzte als die sybillinische Melodie der Nyckelharpa von den Grottenwänden hallte. In seinen Inneren fand Siegret schließlich die legendäre Pille. Sie hielt inne als sie das glänzende Stück sah. Was waren die Konsequenzen eines so mächtigen Artefakts? Dann erinnerte sich Siegret zurück an den Beginn ihrer Reise, an den starren Blick Lybras der sie erstechen wollte, die ekligen Fratzen ihrer Gegner, das Grummeln der Söhne in der Stadt der Weißen Rose.
Die Stadt die ihr gehören sollte. Siegrets Wut flammte auf. Sie griff die Pille zwischen dem Vampirgedärm und verschlang sie. Die Geisternonnen bildeten einen Kreis um sie. Ihre Gestalten fingen an rot zu glänzen und Siegrets Körper erschien golden. Sie wandelte sich, bis sie als prächtige Sphinxharpie im Kreis stand, ein Wesen von unglaublicher Kraft und Beweglichkeit, halb Löwin, halb Harpiengeier, mit einem satten rostrotschwarzen Gefieder und Flügeln breiter als die Straßen in denen ihre toten Feinde verrotteten - und noch viele weitere verrotten sollten. Mit ihren neu gewonnenen Kräften stieg die großartige Siegret hoch in den Himmel, um einen epischen Kampf gegen die verfluchten Söhne der Stadt der Weißen Rose zu beenden. Ihr grimmiges Gebrüll hallte am weiten Himmel entlang und beschwor die Geisternonnen als Elstern, Dohlen und Bartgeier herauf, die sie anführte. Mit ihnen zerfetzte sie alle Söhne die ihr ins Auge fielen und zerschmetterte die phallischen Bauten der Stadt. Sie und die Vogelarmee, ein furchteinflößendes Duo, das gleichermaßen Ehrfurcht und Abscheu bei ihren Gegner auslöste.
Wie eine Gedenkstatur, sah Lybra mit abwesender Miene und verschränkten Händen zu, wie ihre Vergangenheit zerrissen und ihre Existenz als Hofdame zerhakt wurde. Wie die leeren Augenhöhlen ihres Mannes von zahlreichen Dohlen größer und größer ausgepikt wurden. Wie die Hautfetzen ihrer Brüder, Söhne und Enkel hinab hingen, an den noch halb atmenden und schon toten Körpern, denen Glieder fehlten und die verrenkt auf Treppen und an Wänden zusammen gesackt lagen. Die Vögel kannten kein halten.
Einer ihrer Söhne, dessen Augapfel im Schnabel einer Dohle gequetscht und aus der Höhle gezupft wird, schwang das letzte Mal seinen rechten Arm in den Schein der Morgenröte, sogleich stürzten sich die Dohlen darauf, die den Arm zerhexelten und seine gerissene Fetzen die in der Luft herum geschleudert wurden. Die Straßen waren rot verfärbt, voller Leichen, die von der Vogelarmee geschluckt wurden, bis kein Knochen mehr übrig blieb.
Als sie siegreich inmitten der Ruinen und gerissenen Leiber ihrer Feinde stand, wusste Siegret, es war vollbracht: Die verfluchten Söhne, nahmen von nun an keinen Einfluss mehr auf die Zukunft der Stadt und ihrer Bewohner. Die Stadt der Weißen Rose gehörte ihr. Voller Ehrfurcht und Bewunderung sahen die übrig gebliebenen Städterinnen zu ihr auf.
Der Himmel war rostrotschwarz von den Vögeln die in ihm ein Meer bildeten. Nur wenige Sonnenstrahlen brachen durch den Vogelteppich dessen Lücken sich im Sekundentakt schlossen und öffneten. Auf den Stuhl ihres zerpikten Ehemannes nahm Lybra platz. Sie blickte aus dem Fenster, sah wie Siegrets Gestalt sich wieder vermenschlichte. Missgunst schlich sich über Lybras Gesicht.
Sie wusste nicht was sie tun sollte, also tat sie was sie schon immer tat - abwarten und sich fragen, was sie diesem Wesen Siegret als Hofdame anzubieten hätte. Waren ihre Tage in dieser Welt nun auch gezählt? Auf keinen Fall wollte sie sich Siegrets Willen unterwerfen, zuwider war es ihr sich einzuschmeicheln, sich zu entschuldigen. Wofür? Die tief wuchernde Abscheu hielt sie davon ab, nach einer Antwort zu suchen. Die Vögel am Himmel begannen zu tönen. Da fiel Lybra ein etwas zu tun, was ihr als Kind verboten wurde: aus ihren Lippen kam ein Pfeifen. Und die Vögel waren die Instrumente zu ihrer Melodie. Die Frauen, die sich um Siegret versammelten, fingen an die Worte die ihnen ein mythisches Gefūhl auf die Zunge legte laut nachzusagen.
Dies war das Lied, das als Siegrets Nibelungenlied, in die Geschichte dieser Welt einfloss, in der aus den Blutflecken der gefressenen Söhne weiße Rosen erblühen sollen.
Düsteres Land. Schwarz ist die Welt, Die verfluchten Söhne sind des Wahns.
Hab' ein Geschenk. Für diese Brut.
Gnadenlose Räuber, besänftigt heiße Glut.
In dieser grauen Welt, die Sonne wird sie sein.
Großartig und rein, Großartig und rein.
Morgenröte blitzt, durch das düst're Land.
Mythen altbekannt, alles wird verbrannt.
Asche fliegt umher, der Himmel ist ein Rabenmeer, und weiße Rosen, das einzige was wächst.
So kniet nieder vor IHR.